Lernen der Zukunft, Sabine Freese, BBS – Duderstadt

Eichsfelder Tageblatt, Forum Eichsfeld vom 08.02.2017

FOTO: WENZEL

Freitagnachmittag ist es auffällig ruhig auf dem Schulhof, in den Klassenzimmern und den Fluren der Berufsbildenden Schulen in Duderstadt. Wahrscheinlich eine der wenigen Gelegenheiten, die Sabine Freese hat, um ein längeres Gespräch zu führen. Üblicherweise geht es munterer zu um sie herum – nicht nur wegen der Schüler, sondern auch, weil sich die BBS im Umbruch befinden. Dank der Leiterin und mit ihr.

❱❱ Sie kommen von Haus aus dem Musikbusiness. Wie sind Sie von einer kaufmännischen Ausbildung zur Schulleitung gekommen?

Nach sechs Jahren als Kaufmännische Angestellte ist in mir der Wunsch nach einem Studium gewachsen. Klar, eigentlich hätte ich auch so weitermachen können. Wir haben damals in einem jungen Team und im Austausch mit den großen Plattenfirmen Schallplatten verkauft. Ich war für Ein- und Verkauf zuständig. Aber in dem Unternehmen, in dem ich war, gab es keine Zukunftsperspektiven mehr. Die Verdienstmöglichkeiten waren nicht so, wie ich mir das vorgestellt hatte, und auch die intellektuellen Herausforderungen waren einigermaßen begrenzt. Die Initialzündung gab schließlich mein damaliger Freund. Er ist Musiker, ich habe ihm damals einen Einblick in das Musikbusiness gegeben. Seine Mutter war Lehrerin, und als ich ihm etwas erklärte, sagte er, ich könne das gut und wäre bestimmt eine tolle Lehrerin. Ich habe also die Hochschulzugangsberechtigung ohne Abitur erworben, bin von Oldenburg nach Göttingen gezogen und habe mein Studium in Spanisch und Wirtschaftspädagogik aufgenommen.

❱❱ Sie sind ohne Leitungserfahrung in den Job als Schulleiterin eingestiegen und noch dazu an einer Schule, die mehr oder weniger  auf der Kippe stand. Wie sind Sie damit umgegangen?

Immer positiv nach vorne schauen und zusehen, dass sich der Ruf immer weiter verbessert. Modernisierung und gutes Personal waren dabei ganz wichtig. Und ich musste immer wieder nach außen tragen: Uns gibt es noch. Gleich in der ersten Woche wurden uns drei Berufe weggenommen, die Friseure, die Maurer und die Fliesenleger. Zu der damaligen Zeit konnte ich noch gar nicht beurteilen, was das bedeutet. Schwierig waren anfangs auch Aufgaben wie Personalgespräche oder Stellenbewirtschaftung und andere Dinge, die im Hintergrund geschehen, und die ich als Lehrerin so nicht mitbekommen hatte. Aber ich habe hier ein ganz tolles Kollegium vorgefunden, hatte einen kompetenten und erfahrenen Stellvertreter und eine tolle Verwaltungsleiterin, das war eine große Hilfe. Auch war ich überrascht, wie gut die Schule in manchen Belangen aufgestellt war, ohne dass man davon etwas davon nach außen sehen konnte. Das betrifft vor allem das Digitale.

❱❱ Nach außen hin hat man das Gefühl, Sie haben ordentlich frischen Wind in die Schule gebracht und das Netzwerk erweitert…

Ich bin Netzwerkerin, das stimmt. Ich entwickle Ideen im Dialog und arbeite gern zielorientiert. Visionen sind gut, aber ich brauche auch greifbare Ergebnisse. Die lassen sich im Gespräch am besten erreichen.

❱❱ Was sind Ihre großen beruflichen Erfolge?

Studium, Referendariat und die Anstellung an der Arnoldi-Schule mit dem großen Projekt Logistikzentrum, wenn es um die Zeit vor den BBS geht. Auch, dass ich als Oberstudienrätin die Leitungsstelle bekommen habe, und ich damit einen Dienstgrad quasi überspringen konnte. An den BBS haben mich die Neugestaltung der Sanitäranlagen und der Cafeteria unheimlich gefreut, die Cafeteria ist ein echtes Vorzeigeprojekt geworden. Dass die Stellen des Schulsozialarbeiters und Schulassistenten besetzt werden konnten, waren große Schritte für uns. Damit haben sich die Rahmenbedingungen verbessert.

❱❱ Was steht zukünftig an?

Die Kooperation mit dem Eichsfeld- Gymnasium „Theorie trifft Praxis“ steht jetzt in einer zweiten Auflage an. Unser Maschinenpark soll sukzessive modernisiert werden, sodass wir für die Zukunft gut aufgestellt sind.

A u ß e r d e m wollen wir die internationalen Kontakte ausbauen und streben in dem Zusammenhang einen Schüleraustausch mit Polen an. Ich hoffe, wir kommen weiter, wenn es um die Anschlussorientierung geht. Ich kann hier alle Abschlüsse vergeben. Das ist wichtiger. Es muss aber auch gefragt werden: Was macht der Schüler anschließend mit dem Abschluss? Eine Kollegin hat eine zweijährige Ausbildung zur Beratungslehrerin genossen. Mir war wichtig, dass wir dafür auch eine Funktion haben. Wir arbeiten zudem nach dem Konzept „Hann. Mündener Coaching- Modell“. Schüler erhalten also Unterstützung von Lehrern, sich Ziele zu stecken. Und: Ich hätte gern noch eine zweite Schulsolzialarbeiterin.

❱❱ Dann gibt es ja noch das Blended learning? Was hat es damit auf sich?

Es ist eine Kombination von Präsenzlehre und Onlinelehre. Wir versuchen, anhand des Bildungsgangs der Kaufleute für Großhandel Lernsituationen so zu digitalisieren, dass eine Onlinelehre möglich wird. In den Betrieben sollen die Schüler eine gewisse Zeit in der Online-Lehre verbringen. Ähnliche Ansätze gibt es bereits in Hochschulen und Universitäten, aber auch in  Sprachschulen. Im Bereich der Berufsbildung ist es ein ESF-gefördertes Pilotprojekt in dem Maße, wie wir es jetzt aufgesetzt haben. Beteiligt sind die Berufsbildenden Schulen in Holzminden und wir, die wissenschaftliche Begleitung liegt bei der HAWK mit dem Zukunftszentrum. Mit im Boot sind Duderstadt2020 als Kommunikationsund Koordinationsschnittstelle und die Fachhochschule Lübeck, die die Programme bereitstellt und die Lehrkräfte schult, und die IHKs. Derzeit sind wir dabei, Lernsituationen digital umzusetzen. Und immer wieder hinterfragen wir, welche Techniken Sinn für Berufsschulen ergeben.

❱❱ Was bedeutet das für die Betriebe?

Sie müssen einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen, aber das müssen sie ohnehin. Aber die Rolle muss geklärt sein: Der junge Mensch ist da, arbeitet aber nicht im Betrieb mit, sondern lernt in dieser Zeit.

❱❱ Und für die Schüler?

Wie in allen Belangen ist mir die Zufriedenheit der Schüler ganz wichtig. Somit spielen Rahmenbedingungen wie Breitband oder ÖPNV mit hinein.

Sabine Freese …

… ist 1965 in Oldenburg geboren. Sie ist verheiratet und hat drei Kinder. Seit 2014 leitet die Oberstudiendirektorin die Berufsbildenden Schulen in Duderstadt. Zuvor war sie zwölf Jahre lang an der Göttinger Arnoldischule tätig, nachdem sie ihr Zweites Staatsexamen mit beruflicher Fachrichtung Wirtschaft und Verwaltung und Unterrichtsfach Spanisch abgelegt hatte. Das Referendariat absolvierte sie in Northeim und Osnabrück nach dem Studium, das sie als Diplom- Handelslehrerin mit Unterrichtsfach Spanisch abgeschlossen hatte. Ihre Freizeit verbringt Freese am liebsten im Kreis der Familie oder bei sportlichen Aktivitäten.

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